Zulassung und Nichtzulassung – Politische Studienplatzvergabe

Ein Studium in der DDR stellte ein besonderes Privileg dar. Für einen Studienplatz waren die »richtige« soziale Herkunft, Wehrbereitschaft,
das Bekenntnis zur sozialistischen Weltanschauung und ein gutes Abitur
notwendig. Pro Jahrgang erhielt nur jeder zehnte Jugendliche einen Studienplatz, vergeben nach dem gesellschaftlichen Bedarf. Die sozialistische Planwirtschaft war in der Theorie ausgefeilt, dennoch gab es Lücken und Ausnahmen in der Immatrikulationspraxis.

Der Rektor begrüßt im Gewandhaus die
Studienanfänger, das FDJ-Hemd war Pflicht,
20.09.1989

Ein gutes Abitur allein reichte nicht aus. Zunächst war die soziale Herkunft wichtig. Mindestens 60 Prozent der Studienplätze waren für Arbeiter- und Bauernkinder vorgesehen. Die Zulassungskommissionen bevorzugten Kinder aus »politisch stabilen und gesellschaftlich engagierten Elternhäusern«. Hauptamtliche
SED-Funktionäre wurden der Arbeiterklasse zugeordnet, damit waren ihre Kinder besonders privilegierte Studienbewerber. Wer dagegen aus einem christlichen Elternhaus kam, hatte meist das Nachsehen.

Einschreibung der Medizinstudenten
im Carl-Ludwig-Institut, 01.09.1988


Ohne Mitgliedschaft in der Freien Deutschen Jugend FDJ war es zudem fast aussichtslos, einen Studienplatz zu beantragen. Darüber
hinaus legten die lokalen Zulassungskommissionen viel Wert auf eine positive Haltung zur »sozialistischen Wehrerziehung und Verteidigungsbereitschaft«.

Schon in den Oberschulen setzten Direktoren und Lehrer männliche Abiturienten unter Druck, sich für den dreijährigen Dienst in der Nationalen Volksarmee zu verpflichten. Oftmals machten die Zulassungskommissionen den verlängerten Wehrdienst zur Bedingung für einen begehrten Studienplatz, wie etwa in der Medizin. Eine Mitgliedschaft in der SED begünstigte die Bewerbung ebenso und konnte als Druckmittel eingesetzt werden. Im Jahr 1988 waren 25 Prozent der Neuimmatrikulierten bereits vor Studienbeginn in die SED eingetreten.

Einschreibung der Medizinstudenten
im Carl-Ludwig-Institut, 01.09.1988

Richtige Herkunft und politisches Wohlverhalten garantierten nicht immer den gewünschten Studienplatz, denn die verfügbaren Plätze folgten zentralen staatlichen Planvorgaben. Die Universität Leipzig immatrikulierte für Germanistik beispielsweise nur alle drei Jahre eine kleine Gruppe. Lehrer und Ökonomen wurden dagegen immer gesucht. Ein Fachoder gar ein Universitätswechsel war hingegen mit großen Schwierigkeiten verbunden. Nach der Ablehnung für einen Studienplatz folgte das »Umlenkungsgespräch«. Dort drängten die Zulassungskommissionen abgelehnte Bewerber, auch ungewollte Studiensgänge anzunehmen.

Aufpolierte Statistik:
Mehr als 100 Prozent FDJ-Mitglieder, 1988
Sektion Tierproduktion und Veterinärmedizin, 
Arbeitsbesuch der FDJ-Kreisleitung beim Jugendforscherkollektiv, Januar 1989