Wachteln, Mäuse und Benzin-Rationierung

In der Sektion Tierproduktion und Veterinärmedizin prallten landwirtschaftliche Praxis und sozialistische Theorie aufeinander. Forschung, Lehre und der staatliche Auftrag zur landwirtschaftlichen Selbstversorgung waren in Einklang zu bringen.

Schon vor Studienbeginn war die Kollektivbildung im Landwirtschaftseinsatz angesagt. Als Kartoffelsammler, Apfelpflücker und Rübenhackbrigaden waren die jungen Leute auf dem Land begehrt. Nach drei Wochen hatten die Hände Schwielen und das Kollektiv war
geformt.

Zum Studienbeginn im Oktober 1988 folgte die Aufteilung in fachbezogene Gruppen. Rund 250 Direktstudenten wurden in den
Fachrichtungen Ökonomie und Technologie der Tierproduktion, in Veterinärmedizin und in Agrarpädagogik ausgebildet. Mit rund 100 Stunden pro Studienjahr gehörten politische Fächer wie Marxismus-Leninismus / Politische Ökonomie und Wissenschaftlicher Kommunismus / Geschichte der Arbeiterbewegung zum Pflichtprogramm.


Kaum halb so viele Stunden sah der Lehrplan für praktische Fächer wie Tierernährung, Futtermittelkunde, Vorrats- und Milchwirtschaft
oder Rinder-, Schweine- und Schafzucht vor. Aber auch exotische Fächer wurden gelehrt, wie Geheimnisschutz oder Kulturtheorie und
Ästhetik.

Seit Mitte der 1980er Jahre strebten die Veterinärmediziner nach einer stärkeren fachlichen Trennung von den Agrarwissenschaftlern. Im
August 1988 bestätigte der Minister für Hoch- und Fachschulwesen die Einrichtung einer eigenen Grundstudienrichtung Veterinärmedizin.
Für die theoretische und praktische Ausbildung der Studenten gab es sieben Lehr- und Versuchsstationen an der Karl-Marx-Universität
Leipzig. Neben der Wissenschaft spielten die ambitionierten Pläne der DDR zur landwirtschaftlichen Selbstversorgung der Bevölkerung
eine große Rolle. Das sollte Devisen einsparen und die tägliche Versorgung mit Lebensmitteln in der Planwirtschaft verbessern.



Die Lehr- und Versuchsstation Probstheida (LVS) züchtete Mäuse und Ratten für die biologische und medizinische Forschung in Leipzig. Die Zucht von Wachteln diente eher der Bevölkerungsversorgung. Für die Universität war dies ein lukratives Geschäft. Etwa 3.500 Wachteln und Wachtelküken wurden in Probstheida gehalten. Die Hennen legten reichlich Eier: 1988 konnte die Station 165.000 davon an Hotels und Restaurants verkaufen.

Studenten beteiligten sich früh an staatlichen Forschungsaufträgen, die etwa von der Vereinigung Volkseigener Betriebe Tierzucht oder vom Institut für Fleischwirtschaft der DDR kamen. Dabei lernten sie 1988 den ganz normalen DDR-Arbeitsalltag kennen. Denn selbst in der Forschung gab es kaum Westgeld für Chemikalien – Beschaffungsanträge blieben
oft so lange unbearbeitet, bis das Projekt beendet war. Fast alle technischen Geräte waren verschlissen und für die landwirtschaftlichen
Fahrzeuge der Universität gab es nur knappe Benzinzuteilungen.