Leben im Wohnheim –Vierbettzimmer und Mütter-Etagen

Wohnraum war in Leipzig billig, aber Mangelware: Die 22.000 Internatsplätze konnten kaum drei Viertel der Studenten
aufnehmen.

Die Studentenwohnheime der Karl-MarxUniversität waren für die Sozialpolitik der DDR nicht ausgelegt. Junge, studierende Ehepaare hatten Anspruch auf gemeinsamen Wohnraum, für ledige Studentinnen mit Nachwuchs wurden ganze Stockwerke als Mutter-Kind-Etagen reserviert. Schon während des Studiums schwanger zu werden war ganz
normal, denn das Durchschnittsalter bei der ersten Geburt lag in der DDR bei 23 Jahren. Die jungen Mütter bekamen dafür breite
Unterstützung im Studium.


Wegen der steigenden Wohnungsnot mussten die noch vorhandenen Zimmer in den Wohnheimen überbelegt werden. Aus Zweibettzimmern wurden Drei- und Vierbettzimmer, selbst Wäsche- und Klubräume wurden zu Wohnräumen umgebaut.


Schließlich verhängte die Universität, die für die Wohnheime zuständig war, einen Vergabestopp. Wer im Umkreis von 50 km wohnte, bekam keinen Wohnheimplatz und musste täglich zum Studium pendeln.
Wenigstens kostete der Platz nicht viel. Mit zehn DDR-Mark im Monat war der Wohnheimplatz bezahlt. Die Infrastruktur war konsequent auf Gemeinschaft ausgerichtet. Mehrere Zimmer teilten sich Dusche und Toilette. Eine ganze Etage teilte sich eine Küche, mit Elektroherden, Spülbecken und großem Gemeinschaftskühlschrank, sowie ein Fernsehzimmer. Dort konnten zwei Programme, DDR 1 und DDR 2 in schwarzweiß, empfangen werden. Westfernsehen war verboten, vorsorglich war dessen Empfang auf den TV-Geräten technisch blockiert.

Die meisten Wohnheime waren erst im Rahmen des Neubauprogramms in den 1970er Jahren außerhalb des alten Leipziger Stadtkerns errichtet worden. Gigantische Plattenbauten entstanden etwa 1971 in der Johannes R.-Becher-Straße mit 1.650 oder in der Mannheimer Straße mit 782 Plätzen. Trotzdem war die Innenausstattung – Bäder, Heizungen,
Fahrstühle – oftmals verschlissen.

Für die Sanierung rekrutierte die Universität im »Studentensommer«, dem obligatorischen Arbeitseinsatz in der Semesterpause, Studenten. Aber weder Material noch Arbeitskräfte reichten aus. Der Verschleiß der Wohnheime und Internate war nicht aufzuhalten.
Der Zugang zu den Wohnheimen war nur mit einem Studentenausweis, für Fremde nur nach Anmeldung möglich. Dafür gab es im
Eingangsbereich eine Wache, die tagsüber von Universitätspförtnern und abends von Studenten besetzt wurde. Jeder Besucher
musste sich mit seiner Personalausweisnummer in einem Besucherbuch eintragen. Nach 22 Uhr hatten alle Fremden das Haus zu verlassen – Kontrollrundgänge inklusive.


Ausländische Studenten wurden in der Regel nicht mit den DDR-Bürgern gemeinsam untergebracht. Ausländer aus sozialistischen Staaten
lebten in den gleichen Standards wie DDR-Bürger. Nur die sogenannten Valuta-Studenten, etwa aus Nordafrika, die ihren Studienplatz
in westlichen Währungen zahlten, bekamen besondere Vergünstigungen. Sie lebten auf eigenen Etagen in Einbettzimmern mit privater
Kochnische nebst Kühlschrank und Fernseher.