Ausländer, Freunde, Kommerzstudenten

Für die DDR-Führung war die Welt strikt geteilt: in sozialistische Länder, geführt von der Sowjetunion, und das kapitalistische Ausland. Die Entwicklungsländer sollten den Weg zum Sozialismus noch finden. Aber so einfach war es für die Universität und ihre Studenten dann doch nicht.

Etwa zehn Prozent der Leipziger Studenten kamen 1988 aus dem Ausland, die meisten aus sozialistischen oder Entwicklungsländern.
Studenten aus kapitalistischen Ländern, wie Japan, der Schweiz oder Italien, waren eine verschwindend kleine Minderheit.
Ursprünglich plante die Universität Wohnheime nur für Ausländer, denn eine Vermischung der Gruppen war nicht erwünscht. Aber die Wohnlage war prekär, sodass die ausländischen und die DDR-Studenten aus pragmatischen Gründen gemeinsam wohnten.


Zur Leipziger Bevölkerung konnten die Kontakte dagegen erfolgreich eingeschränkt werden. Oft verhinderten fehlende Deutschkenntnisse
der ausländischen Studenten und die schlechten Fremdsprachenkenntnisse der DDR-Bürger intensive Beziehungen von selbst.

Erklärtes Ziel der SED war es, die Ausländer mithilfe des Studiums zu Freunden der DDR zu erziehen. Doch schon mit den jungen Leuten
aus den befreundeten sozialistischen Staaten gab es dabei immer wieder Probleme. Die Karl-Marx-Universität hatte als Schwerpunktaufgabe die Ausbildung von Germanisten übernommen, 1988 immatrikulierte sie
55 Sowjetbürger. Nach deren Rückkehr betrachtete ihre Heimat die Absolventen aber teilweise mit Argwohn, sie erschienen zu
verwestlicht. Um die Ausländer zu sozialistischen Menschen zu erziehen und ihr Leistungsniveau zu erhöhen, setzte die Universitätsleitung politisch zuverlässige FDJ-Mitglieder als Betreuer ein, die mit ihrem Schützling im Wohnheim zusammenwohnten.

Sie sollten die Ausländer auch gleich zu Ordnung, Disziplin und
Sauberkeit in den Internaten anhalten. Die DDR benötigte dringend westliche Währungen für Importe, daher bot sie Studienplätze an der Karl-Marx-Universität zum Kauf an. Ausländer, die ihren Studienplatz selbst bezahlten, hießen Kommerzstudenten. Im Jahr 1988 waren 142 zahlende Studenten eingeschrieben. Sie kamen vorrangig aus Syrien,
Kamerun und Simbabwe. Gut 14.000 D-Mark kostete ein Studienjahr in den Naturwissenschaften und etwa 18.000 D-Mark in der Medizin. Doch die DDR hatte zwar mit dem Westgeld, aber nicht den Ansprüchen der
jungen Ausländer gerechnet. Sie wollten keine Vorlesungen im Marxismus besuchen oder gar darin geprüft werden. Für ihr Geld
erwarteten sie nutzbares Wissen. Mit ihrem westlichen Lebensstandard und dem Zugang zur D-Mark verursachten sie in den streng kontrollierten Wohnheimen Probleme und erregten in der reglementierten Alltagswelt der DDR unerwünschtes Aufsehen.