Gemeinsam durchs Studium – Das Seminargruppen-System

Studierende waren in der DDR in festen Seminargruppen zusammengefasst. Diesen kleinsten Struktureinheiten in der Lehr- und Studienorganisation kam eine wichtige politische Rolle im Hochschulsystem zu.

Zum sozialistischen Studium hieß es in einer Anweisung des Staatssekretariats für Hochschulwesen der DDR programmatisch: »Die Seminargruppen sollen jeden Studenten zu einem Kämpfer für die Einheit unseres Vaterlandes erziehen, zu einem glühenden Patrioten, der bereit ist, an der Seite der Arbeiterklasse die Errungenschaften der Werktätigen zu schützen.« Diesem Anliegen Rechnung tragend wurden die Studierenden innerhalb einer Sektion und Fachrichtung in Klassenverbänden, den Seminargruppen, zusammengefasst. Die Zusammensetzung legte die Hochschul- bzw. Sektionsleitung vor Beginn des Studiums fest. Seminargruppen waren ein Kontrollmittel der Kollektiverziehung: junge Menschen konnten so in Hinblick auf ihre Einstellung zu Studium und Staat besser überwacht und politisch beeinflusst werden.

Diese Organisationsstruktur hatte großen Einfluss auf das studentische Leben: Innerhalb der Seminargruppe besuchten alle dieselben
Lehrveranstaltungen, bereiteten sich gemeinsam auf die Prüfungen vor, nahmen zusammen an politischen Aktivitäten teil und verbrachten oft auch die Freizeit zusammen. Zum Studieren in der Gruppe kam das gemeinsame Wohnen. An der Technischen Hochschule Otto von Guericke Magdeburg etwa wohnten die Studierenden schon seit 1971 sektions- und seminargruppenweise zusammen.

Natürlich war die Freizeit durchorganisiert und die Gruppe blieb stets zusammen: Arbeitseinsätze am Sonnabend, nach dem sowjetischen Vorbild als Subbotnik bezeichnet, waren nur pro forma freiwillig. War das
Studienjahr zu Ende, folgten im Juli und August Arbeitseinsätze im FDJ-Studentensommer. Die Einsatzorte fanden sich in nahezu
allen Wirtschaftsbereichen, als Erntehelfer, etwa bei der Kartoffelernte, bei den Verkehrsbetrieben in Magdeburg, im Braunkohletagebau oder in Industriebetrieben. Ausgewählte Kader fuhren zum Arbeitseinsatz in
sozialistische Länder.


Trotz aller politischer Färbung war die Zeit innerhalb der Seminargruppe für viele persönlich prägend und blieb positiv in Erinnerung. Bis heute finden regelmäßige Seminargruppen-Treffen statt: Claus Mildner organisiert etwa für die ehemalige Seminargruppe Wärmetechnik 1/65 seit Jahren privat Treffen.