Studentinnen in der Zivilverteidigung

Junge Männer hatten den Sozialismus mit der Waffe zu verteidigen,
junge Frauen mussten in der Zivilverteidigung ihre Wehrbereitschaft
unter Beweis stellen. Ohne Kampfbereitschaft kein Diplom.

In der DDR gab es für junge Männer kaum Möglichkeiten, den Wehrdienst zu verweigern und danach zu studieren. Wer den Dienst an
der Waffe verweigerte, musste 18 Monate in der Nationalen Volksarmee (NVA) als waffenloser Bausoldat dienen. Viele der Wehrdienstverweigerer waren überzeugte Christen und wollten später Theologie studieren. Nur wenige wählten diesen Weg: An der Karl-MarxUniversität Leipzig hatten 1987 gut zwanzig Prozent der Studienanfänger im Fach Theologie als Bausoldaten gedient. Die meisten männlichen Studenten absolvierten vor dem Studium ihren 18-monatigen Grundwehrdienst
in der NVA. Wer sich für 3 Jahre verpflichtete, erhoffte sich bessere Aussichten für den gewünschten Studienplatz.

Frauen konnten direkt nach dem Abitur ihr Studium beginnen. Die praktische Bereitschaft zum Katastrophenschutz und zur Landesverteidigung mussten sie im zweiten Studienjahr in
einem Zivilverteidigungslager (ZV-Lager) weit entfernt von Leipzig, wie etwa in Pruchten oder Eckartsberga, nachweisen. Davon ausgenommen waren nur Schwangere, Mütter und körperlich behinderte Studentinnen. Sie mussten den Lehrgangsinhalt in Leipzig absolvieren.
Über weitere Ausnahmen, etwa durch ein ärztliches Attest, entschied ausschließlich der Rektor.


Im ZV-Lager lernten die Studentinnen mit Gasmasken zu marschieren, mit der Kalaschnikow zu schießen und Handgranaten zu werfen.
Auch das Bergen und Retten von Verletzten wurde trainiert. Dabei galt eine militärische Hierarchie, die von Uniformen über Wachdienste bis zu Nachtmärschen reichte. Der Bericht einer Studentin im April 1988 gibt
eine lebendige Schilderung des Lageralltags: »Aufstehen, meine Damen! Frühsport! Und so stiegen wir um 6 Uhr aus karierter Bettwäsche
in den Trainingsanzug, um uns laufend zu schaffen. Waschen, Betten bauen, Stiefel putzen, Frühstücksbrötchen und ›Wald-und-Wiesen-Tee‹ waren die nächsten Hürden unserer täglichen Hindernisbahn. Gongschlag 7.45 Uhr standen wir abmarschbereit für die
erste Ausbildungsstunde. Ob das die neue Sanitätsausbildung oder das Retten und Bergen von Geschädigten waren, alle gaben sich große Mühe … Schwieriger für alle war sicher die Schutzausbildung. ›Gummihaut‹
und Schutzmaske in Sekundenschnelle anzulegen, ist weder einfach, noch angenehm. Darunter auch noch zu atmen und zu arbeiten, vertrieb auch das letzte Lächeln aus den Gesichtern.« (Universitätszeitung der KarlMarx-Universität Leipzig, 4. April 1988) Beim kleinsten Fehlverhalten drohten Disziplinarstrafen, bis hin zum Ausschluss vom Studium. Im schlimmsten Falle gab es ohne abgeschlossene Zivilverteidigungsausbildung keinen Studienabschluss.