Zulassung und Immatrikulation 1989 – Erste Risse im System

Die Immatrikulation an den Hochschulen der DDR lief immer nach einheitlichem Muster und zentralen Vorgaben ab. Im Herbst 1989 zeigten sich aber bereits Erosionserscheinungen im politischen System der DDR. Diese wurden auch beim Studienstart in Karl-Marx-Stadt deutlich.

Portal des Böttcher-Baus, Hauptgebäude der TU
Karl-Marx-Stadt, 1991

Studienzulassung und Ablauf der Immatrikulation waren in der DDR durch Verordnung des Ministeriums für Hoch- und Fachschulwesen (MHF) zentral vorgeschrieben. Die Umsetzung oblag den jeweiligen Hochschulen.


Durch die Anordnung über die Bewerbung, die Auswahl und Zulassung zum Direktstudium an den Universitäten und Hochschule
war dieser Prozess seit 1971 mit zwei kleineren Änderungen bis zum Ende der DDR geregelt. So wurden zum Beispiel ab 1978
für bestimmte Fachrichtungen wie Technik, Medizin, Agrarwissenschaften oder Wirtschaftswissenschaften berufspraktische Kenntnisse vor Aufnahme des Studiums gefordert. Die Kenntnisse konnten auch durch ein in der Regel einjähriges Vorpraktikum nachgewiesen werden.


Wer bei der Zulassung erfolgreich war, wurde meist zum 1. September zum Studium aufgenommen. In Karl-Marx-Stadt (jetzt
Chemnitz) fand die Einschreibung 1989 in zwei Gruppen, gestaffelt nach Sektionen, am 1. und am 4. September statt. Die Immatrikulation der Erstsemester wurde am 5. September 1989 in der Stadthalle Karl-Marx-Stadt festlich begangen. Anschließend begrüßten die Sektionsdirektoren zusammen mit den FDJ-Grundorganisationsleitungen in weiteren
Veranstaltungen die Neuimmatrikulierten.


Außerdem standen Vorlesungen zur Geschichte der Einrichtung mit einem Besuch des Traditionskabinetts der Universität, Vorlesungen zur
sozialistischen Wehrerziehung, eine Einführung in die Nutzung der Universitätsbibliothek sowie Veranstaltungen zu aktuell politischen
Themen (»Rote Woche«) auf dem Programm.
Der eigentliche Lehrbetrieb begann für die Erstsemester am 7. September 1989, kurze Zeit später wurde er von einem zweiwöchigen
Ernteeinsatz unterbrochen. Die Immatrikulation an den Hochschulen der DDR lief immer nach einheitlichem Muster und zentralen Vorgaben ab. Im Herbst 1989 zeigten sich aber bereits Erosionserscheinungen im politischen System der DDR. Diese wurden auch beim Studienstart in Karl-Marx-Stadt deutlich.

Die »Rote Woche« richtete sich auch an die höheren Semester. Die Durchführung im Herbst 1989 wich allerdings erheblich von
den Planungen ab. Die Neuimmatrikulierten fanden sich noch recht vollständig zum Studienstart ein und beteiligten sich aktiv an
den Veranstaltungen und Vorlesungen. Die höheren Semester mieden die »Rote Woche« 1989 jedoch bewusst und erschienen entweder verspätet oder gar nicht. So war bei den Vorträgen zum Thema »40 Jahre DDR“ nur ein Drittel bis die Hälfte der Studierenden anwesend. Auch die Teilnahme an den Ernteeinsätzen an dem vorgesehenen Wochenende wurde von einigen Studierenden boykottiert. Das vermeintlich gut geordnete sozialistische Studiensystem hatte erste Risse bekommen.