Sputnik-Verbot und studentische Proteste

Im November 1988 ließ die DDR-Führung den Vertrieb der weit
verbreiteten sowjetischen Zeitschrift »Sputnik« einstellen. Die offene Zensur durch die SED-Führung provozierte studentische Proteste.

In Weimar führte das »Sputnik-Verbot« zu Protesten und Solidaritätsbekundungen. Als am Mittwoch, dem 23. November 1988, in
den Morgenstunden Flugblätter in zahlreichen Hochschulgebäuden gefunden wurden, reagierte die Hochschulleitung auf Druck der
Bezirksleitung der SED mit Exmatrikulationen von in Verdacht geratenen Studierenden. Die Bezirksleitung der SED versuchte der Hochschule die Schuld zuzuweisen: Dieser vermeintliche Hort der Konterrevolution und der ideologischen Schwäche sollte durch exemplarische Maßnahmen diszipliniert werden.


Alle im Zusammenhang mit der Sputnik-Aktion Beschuldigten sollten ohne weitere Verfahren sofort exmatrikuliert werden. Doch die Hochschulleitung widersetzte sich diesen extremen Forderungen und leitete Disziplinarverfahren ein, die eine Rechtsstaatlichkeit im möglichen
Rahmen sichern sollten. Auf Druck der SEDParteileitung, gestützt durch das Politbüro der SED, wurden 13 Disziplinarverfahren gegen
Studierende der Hochschule registriert.


Die offenkundige Pressezensur und die folgenden Proteste verdeutlichten Unzufriedenheit, Widerstand und die Erosion der staatlichen Kontrolle. Über Tage und Wochen manifestierte
sich der meist unorganisierte, spontane Protest in heimlich gemalten Schriftzügen an Häuserwänden und auf Straßen, auf Zetteln, Plakaten
und Flugblättern. Allein das Wort »Sputnik« wurde zum Synonym für die Unterdrückung der Meinungs- und Pressefreiheit. Alle, die
das Wort lasen, wussten: Es geht um viel mehr als nur um eine Monatszeitschrift. Hier wurde vom Staat eine Grenze überschritten, was
immer mehr Studierende zum Protest anstachelte. Die hilflosen Bemühungen der Behörden, den Widerstand einzudämmen, erzeugten wiederum eine sich weiter ausbreitende Unruhe an der Hochschule.


Akribisch wurde der Protest dokumentiert. Im November 1988 vermerkte die Sektion Marxismus-Leninismus die Protestbeteiligung auf Karteikarten als »Verlassen einer Lehrveranstaltung«. Zehn Studierende erhielten einen disziplinarischen Verweis und drei weitere Personen
wurden exmatrikuliert.